Wahrzeichen der Stadt Greiz muss weiter saniert werden
Schlossgespräch zum Schicksal Reußischer Residenzen-leidenschaftliches Plädoyer für Denkmalschutz
Greiz. Das Café in der Remise konnte die interessierten Besucher des Schlossgesprächs am 20. November kaum fassen. Die Architektin in der Denkmalpflege Dr. Anja Löffler, die über Reußische Schlösser promoviert hat, sowie Eva-Maria von Máriássy, langjährige Leiterin des Greizer Sommerpalais, referierten über das Schicksal Reußischer Residenzen zwischen 1945 und 2025.

Sie gaben einen Überblick über für immer zerstörte sowie sanierte und restaurierte Schlösser und konzentrierten sich dabei auf zehn Reußische Höfe: prachtvolle Schlösser, Orte höfischer Kultur und Zentren politischer Macht der Reußen Älterer und Jüngerer Linie.
Der wohl größte Verlust in der Residenzlandschaft Ostthüringens ist Schloss Osterstein in Gera. Geschaffen einst von Heinrich Posthumus wurde es nach Erlöschen des Geraer Hauses 1802 ab 1853 als Residenz der Jüngeren Linie prächtig ausgebaut, Bilddokumente zeigen Osterstein u.a. mit festlichem Ahnensaal.


Die kostbaren Gobelins aus Gera seien zur Sicherheit nach Schleiz ausgelagert worden, wo sie mit dem Schloss verbrannten. Am 6. April 1945 wurde Osterstein bei einem Bombenangriff der Alliierten schwer beschädigt, 1962 wurde die restliche Ruine gesprengt und das bekannte Terrassencafé entstand. „Eine Leere klafft rund um den Turm“, stellt Dr. Löffler fest.
Auch das Schleizer Schloss wurde im April 1945 Opfer der Bomben und 1950 fast vollständig abgerissen. Heute stehen noch das einstige Amtshaus und die Türme, die ihre Helme zurückbekamen.




Als weitere Beispiele für die „Kulturverbrechen nach 1945“ nannte Dr. Löffler die Verwahrlosung der fürstlichen Immobilien in der DDR-Zeit mit Schloss Bad Köstritz, dass 1972 abgebrochen wurde. 1995 entstand hier ein Schlosshotel, das heute als Alten- und Pflegeheim genutzt wird. In Bad Köstritz gibt es allerdings auch ein Wiederaufblühen, das ehemalige Torhaus wird durch seinen Reußischen Eigentümer zu einem „kleinen barocken Schatzkästlein“ saniert.


Schloss Ebersdorf wird ebenfalls saniert und seit 2021 wieder bewohnt.


Schloss Burgk, beliebtes Ausflugsziel und touristischer Magnet, ist schon in der Zeit nach 1945 restauriert worden. Sein Museums- und Ausstellungskonzept wird sehr gut angenommen.





Das Sommerpalais mit Küchenhaus und Rotunde im Greizer Park ist die kompletteste sanierte Anlage der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten, freut sich Kunsthistorikerin Eva-Maria von Máriássy, Das Küchenhaus hat bereits 1992 seine Sanierungskur bekommen. Unter ihrer Leitung ist das 1768 errichtete Sommerpalais von 2004 bis 2011 saniert worden, während der Museumsbetrieb unter Einschränkungen weiter lief. Die nächsten zwei Jahre bis 2013 schloss sich die Sanierung des Greizer Parkes an. Zwei Wochen nach Fertigstellung, die meisten Greizer erinnern sich noch ganz deutlich daran, kam das große Hochwasser und überflutete die Parkanlagen einschließlich des Gartensaals. Die Orangerie am Parkeingang wird gegenwärtig grundhaft saniert, hier soll unter anderem auch ein Veranstaltungsort entstehen. Über die Sanierung der Rotunde, die 2023/24 erfolgte, gab es im Schlossgespräch eine Diskussion darüber, in welcher Fassung das Gebäude wiederhergestellt wurde.





Eine ungeheure Aufgabe für die Stadt, so fuhr Máriássy fort, sei das Untere Schloss, das seit 1928/29 als Museum genutzt werde. Nach der Wende sind umfangreiche Restaurierungen in der Beletage erfolgt. Der Weiße Saal ist ein festlicher Veranstaltungsort.

Roland Meyer, profunder Kenner des hiesigen Adelsgeschlechts, erinnerte daran, dass auch das Schloss in Waldhaus abgerissen wurde. Nur das Mausoleum stehe noch. Die abgerissenen Schlösser Rothenthal und Dölau hatte Dr. Löffler im Vortrag bereits erwähnt. Dennoch sollte man dankbar sein, dass Vieles erhalten werden konnte und der Marstall nun nicht von einem Supermarkt verdeckt werden würde, ergänzt der ehemalige Landtagsabgeordnete.
Einig waren sich Referenten und Publikum darüber, dass das Obere Schloss als Wahrzeichen unserer Stadt unbedingt weiter saniert werden sollte. Es ist der Stammsitz der Reußen, ältestes Zentrum einer Reußischen Landesherrschaft. Denkmale wie dieses stiften Identität, zeigen Leistungen und Können vorangegangener Generationen und verpflichten als Teil unserer Geschichte.
Auf Nachfrage, was aus dem Kavaliershaus werden soll (Oberes Schloss Greiz, Haus 3), gab Architekt Matthias Hamann Auskunft. Leider habe sich die Stadt noch nicht zu einer Nutzung bekannt. Bisher laufe die Sicherung des Gebäudes, um den Verfall zu stoppen. Aus seiner Sicht, so Hamann, sei ein Gästehaus denkbar, das gemeinsam mit dem Café betrieben werden könnte.
Die Referentinnen Dr. Löffler und von Máriássy stellten zur Freude der Zuhörer dem Förderverein ihre Aufzeichnungen zur Verfügung, was Vereinsvorsitzender Ulrich Jugel gern annahm.
Beeindruckt von der lebhaften Diskussion dieses Schlossgesprächsabends zeigte sich Erbprinz Heinrich XXIX. Reuss, der unter den Zuhörern Platz genommen hatte. Seit gut einem Jahr betreibt er einen die Reuss’schen Güter Aga als Geschäftsführer. „Ich finde es überraschend, wie lebendig der Verein hier ist. Das ist gelebte historische Identität.“




Text: Katrin Schulz
Fotos: Schloss Schleiz (1) Wikipedia, M. Hendel (2,3,4) u. Weitere,
Folien: Frau Dr. Anja Löffler, Frau Eva-Maria v. Máriássy